…enten

Vor mittlerweile vielen Jahren hatte Sebastian Sick einen großen Erfolg mit seinem Buch Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod. Mittlerweile dehnt sich die Sterbewelle auf Dativ und Akkusativ aus, viele verwenden den Nominativ einfach überall.

Das Attentat auf den Präsident wurde nie aufgeklärt.

Sie verkauft dem Kunde einen Teppich.

Gute alte n-Deklination! Für mich liest sich dem/den Kunden/Präsidenten nach wie vor viel angenehmer, auch wenn ich mir gar nicht sicher bin, ob das Auslassen der …(e)n-Endung nicht längst als salonfähig angesehen wird. So verbreitet sich anscheinend immer mehr die Briefanschrift für männliche Personen Herr Soundso statt des nach wie vor eigentlich verlangten Akkusativs Herrn Soundso, und Beispiele wie die oben genannten sind in den Medien gar nicht mehr selten zu finden.

Bevor die Sonne aufgeht

Madrugada aus Norwegen hatten ihre große Zeit eigentlich schon Anfang des Jahrtausends, bevor Gitarrist und Komponist Robert Burås mit nur 31 Jahren verstarb. Später war vor allem Sänger Sivert Hoyem auch das Gesicht der Band, neben seinen Soloprojekten.

Anlässlich des 20-jährigen Jubiläums ihres Albums Industrial Science begannen Madrugada 2018 eine längere Tournee, die vornehmlich den Songs auf diesem frühen Album gewidmet war. Vielleicht ist es nicht jederpersons Sache sich den beinahe zweistündigen Rockpalast-Mitschnitt von 2019 anzuhören, deshalb hier ein offizielles Video von 2002.

Madrugada – Majesty (Quelle: YouTube)

Gut gezogen

In jüngster Vergangenheit fiel mir häufiger auf, dass im Zusammenhang mit der Ernährung von langgezogenem Tee die Rede ist. Wie zieht man denn eine Flüssigkeit in die Länge? Okay, wer einen marokkanischen Thé à la menthe bestellt, bekommt eine Tasse hingestellt, und der Einschenkende (machen das eigentlich auch Frauen?) setzt die Tülle der Teekanne knapp über der Tasse an und gießt das Getränk ein, indem er die Kanne im weiten Bogen nach oben zieht. Aber davon ist wohl nicht die Rede.

Vielleicht muss man anders herum an die Sache herangehen. lang bezieht sich im Deutschen vorwiegend auf das Maß einer Strecke, während für das Maß eines Zeitraums häufiger die Form „lange“ verwendet wird. Allerdings ist auch „lang“ für die Zeit nicht falsch. Für „ziehen“ schließlich führt der Duden mehr als ein Dutzend Bedeutúngen auf. Wer soll den „langgezogenen Tee“ also als falsch brandmarken oder als richtig (wenn auch nur durch Gewohnheit) bestätigen?

Betrachten wird die Sache mal auf folgende Weise: Der Tee in diesem Sprechbild ist nicht langgezogen, sondern hat lange gezogen. Deshalb würde ich unbedingt für „Tee, der lange gezogen hat“ plädieren und, wenn es schon ein „kürzeres“ Adjektiv sein muss, „gezogen“ mit einem Adverb näher beschreiben: „lange gezogener Tee“. Als „schief“ empfinde ich aber auch das.

Der Leisten des Schusters … 

Den April 2023 verbringe ich in einer Rehaklinik (hört sich immer nach Entgiftung nach zu viel Alkohol an, oder?) Bei der Ankunft liegen diverse Informationsbroschüren bereit, und die sind gar nicht schlecht gemacht. Gleich bin ich vom ersten Satz auf der ersten Mappe beeindruckt:

Wir freuen uns, Sie in der …klinik zu begrüßen.

Endlich mal kein „… begrüßen zu dürfen“ oder „… begrüßen zu können“. Die erste Wendung wäre zwar nicht falsch, für mich aber wie ein falsches Lächeln. In Wirklichkeit bin ich der Schreiberin/dem Schreiber herzlich egal! Der zweite Fall aber geht in meinen Augen gar nicht: „… begrüßen zu können“ bedeutet doch wohl, dass man mich willkommen heißen könnte, aber von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch macht oder machen möchte.

Mit „… Sie zu begrüßen“ fühle ich mich dagegen tatsächlich herzlich aufgenommen!

Den Kommafehler im folgenden Satz verzeihe ich deshalb gern:

Um Ihnen die Orientierung in unserem Haus zu erleichtern haben wir diese Übersicht für Sie vorbereitet.

Natürlich müsste nach Duden-Regeln eine mit „um“ eingeleitete Infinitivgruppe mit einem (oder zwei Kommas, wenn es sich um einen Einschub handelt) abgetrennt werden.

So weit, so gut. In einer offiziellen Gästebroschüre sollte so etwas nicht vorkommen. Aber wahrscheinlich ist die Broschüre von Mitarbeiter:innen der Klinik verfasst worden, und deren Qualifikation sollte in erster Linie auf das gesundheitliche Wohl ihrer Patient:innen ausgerichtet sein. Ich würde mich eher ärgern, wenn mich (was gar nicht so selten geschieht) das medizinische Personal, vor dem meine Überweisungunterlagen ausgebreitet auf dem Tisch liegen, fragt, was der Grund dafür ist, dass ich eine Reha-Maßnahme in Anspruch nehmen möchte, oder was sie für mich tun können.

Späte Entdeckung

Morcheeba haben ihre erste Schallplatte 1996 veröffentlicht, aber erstmals wahrgenommen habe ich die Band erst rund 15 Jahre später. Das war mein eigentlicher Einstieg in die Welt der Stilrichtung, die man gemeinhin als Trip-Hop bezeichnet. Sängerin Skye beeindruckt mich immer wieder durch ihre Stimme und ihr ausgefallenes Styling. Lange habe ich überlegt, was ich als Hörprobe empfehlen soll. Am Ende habe ich mich für das Stück entschieden, das mich einst gefangen genommen hat.

Morcheeba – Trigger Hippie (Quelle: YouTube)

um zu …

Nebensätze mit „um“ waren zu meiner Zeit ein eigenes Thema im Deutschunterricht. Mein Deutschlehrer wies immer darauf hin, dass der Infinitiv in einem solchen Nebensatz sich auf eine Aktivität des Subjekts im Hauptsatz bezieht, also zum Beispiel:

Ich gehe in den Keller, um die Waschmaschine auszuschalten.

Liest man dagegen folgenden Satz:

Zunächst wollen wir die Hintergründe näher erläutern, um das Ganze besser zu verstehen.

… sollte eigentlich auffallen, dass hier etwas nicht stimmt. Subjekt des Hauptsatzes ist nämlich „wir“, aber es geht gar nicht darum, dass wir etwas „besser verstehen“. Vielmehr erläutern wir die Hintergründe, damit die Leser etwas besser verstehen. Im Nebensatz mit „um zu“ dagegen, so habe ich es gelernt, bezieht sich der Infinitiv auf eine Aktivität des Subjekts im Hauptsatz. Deshalb wäre zum Beispiel eine die folgende Möglichkeit für unseren Beispielsatz vorzuziehen;

Zunächst wollen wir die Hintergründe näher erläutern, damit Sie das Ganze besser verstehen.

Viel schlimmer als einen solchen klaren Fehler (wie er auch den Besten unterlaufen kann), finde ich allerdings eine stilistische Wendung, die immer häufiger im Zusammenhang mit dem „um zu“-Infinitiv zu beobachten ist. Hier ein Beispiel:

Ich lerne, um die Prüfung bestehen zu können.

Nein, eher nicht! Wer etwas für eine Prüfung lernt, will sie bestehen und nicht nur bestehen können. Wieder geht es um eine Aktivität, nicht nur um eine Befähigung. Also sollte der Satz einfach lauten:

Ich lerne, um die Prüfung zu bestehen.